Star Wars vs. Avatar

Star Wars vs. Avatar

29.07.2017 17:56

Den folgenden Text habe ich vor längerer Zeit mal für das Corona-Magazin geschrieben. Darin ging ich der Frage nach ob James Camerons "Avatar" Filme genauso einen Kult erzeugen könnte wie einst die "Star Wars" Originaltrillogie. Ich dachte, er könnte auch für euch von Interesse sein. Viel Spaß beim lesen...


Avatar versus Star Wars

Die Lichter im Kinosaal erloschen. Der schwere Seidenvorhang glitt langsam auf und das Getuschel der Zuschauer ebbte ab. Eine fast mit den Händen greifbare Spannung breitete sich aus, als der Projektor ratternd seine Arbeit aufnahm und sein Licht wie einen Suchscheinwerfer durch die Dunkelheit sendete. Die Erkennungsfanfare der Twentieth-Century-Fox dröhnte aus den Lautsprechern und auf der Leinwand erschienen gleich darauf die Worte:
„Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis...“
Was das erwartungsvolle Publikum dann in den folgenden zwei Stunden zu sehen bekam, war nicht weniger als eine Neuerfindung des Kinos, erschaffen von einem praktisch unbekannten Jungregisseur namens George Lucas mit einem für Hollywood Verhältnisse läppischen Budget von noch nicht einmal zehn Millionen Dollar. Er hatte die vergangen zehn Jahre seines Lebens damit verbracht sich eine epische Geschichte auszudenken, die die typischen Figuren und Stilelemente der Science-Fiction Serials der dreißiger Jahre mit modernen Spezialeffekten verband, um eine völlig neue Art der Kinounterhaltung zu bieten.

Wir befinden uns im Jahr 1977. Das Ende des für die USA desaströsen Vietnamkrieges lag gerade einmal zwei Jahre zurück, die Wirtschaft ächzte unter einer Rezession und auch die Watergate-Affäre, welche zur Folge hatte, dass zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte ein Präsident vorzeitig von seinem Amt zurücktreten musste war noch nicht ganz verdaut. Vor allem die angelsächsische Öffentlichkeit hatte das Bedürfnis sich im Kino von den vielen traumatischen Ereignissen der letzten Zeit ablenken zu lassen. Sie wollte leicht verdauliche, eskapistische Geschichten vorgesetzt bekommen, in denen die Grenze zwischen Gut und Böse klarer erkennbar war als in der komplizierten Wirklichkeit.
Dementsprechend strömten die Massen in die Kinos als die erste Episode der von vornherein auf drei Teile angelegten „Star Wars“ Saga mit großen Werbebrimborium startete. Das zahlende Publikum erwartete ein kunterbuntes Spektakel, das seine Sehgewohnheiten komplett umkrempelte. Noch nie zuvor waren Raumschiffschlachten in einer solchen Authentizität in einem Film dargestellt worden und nie zuvor gab es ein solch phantasievolles Panoptikum bizzarer Kreaturen zu sehen, von denen sich viele schnell in das kollektive Gedächtnis aller Sci-Fi Fans auf den Erdball brannten. Man denke nur an das den riesigen Wookie Chewbacca oder das ungleiche Robotergespann R2-D2 und C3-PO.

George Lucas gestaltete mit seiner talentierten Crew ein Universum, das von einem jungen Helden, einem verwegenen Weltraumschmuggler, einer hübschen Prinzessin und einem weisen Lehrmeister bevölkert war, die gegen einen diabolischen Bösewicht kämpften. Es war letztlich nicht mehr als die altbekannte Story vom Kampf Gut gegen Böse, die nach wie vor alle Teile der Öffentlichkeit ansprach. Die Hauptfiguren dieses durch und durch kommerziellen Entertaimentspektakels wurden sehr schnell zu wahren Ikonen der Popkultur. Auf der ganzen Welt ließen sich die Fans des phantastischen Films von der Faszination „Star Wars“ anstecken, sahen sich die Filme teilweise mehrmals hintereinander an und begann sich mit den zahllosen Merchendising Artikeln einzudecken, welche von den Firmen auf den Markt geworfen wurden denen George Lucas seine Lizenzen im Vorfeld verkauft hatte. Geschickt baute er so eine Fanbase auf, die immer größer und größer wurde. Die „Star Wars“ Jünger begannen sich wie ihre Idole aus der Trilogie zu verkleiden, hielten Fantreffen ab und drehten mit ihren Camcordern selbst Amateurfilme durch welche die Saga wenigstens inoffiziell fortgesetzt wurde. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich das „Star Wars“ Phänomen zu einer Blaupause für die erfolgreiche Vermarktung neuer Filme als Events, die man auf gar keinen Fall verpassen darf. Die Trilogie hatte einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die Machart künftiger Hollywood-Blockbuster (übrigens ein Begriff, der eigens für „Star Wars“ erfunden wurde: Die Schlangen an den Kinokassen waren teilweise so lang, dass sie sich um ganze Häuserblöcke herum wanden.) Bis zum heutigen Tag orientieren sich die Produzenten großer Sci-Fi und Fantasyepen an der Machart und dem Vermarktungskonzept der Sternenkriegssaga.

Einer der Filmenthusiasten, welcher sich bereits Ende der siebziger Jahre dazu verführen ließ sich von der Magie des Kinos in eine andere Galaxis entführen zu lassen war ein unerfahrener Nachwuchsfilmemacher namens James Cameron. Dieser hatte bereits einige Jahre zuvor – nach einem abgebrochenen Physikstudium – den Entschluss gefasst eine Karriere als Regisseur zu starten nachdem ihm bewusst wurde was für unbegrenzte Möglichkeiten das Medium Film bot. Nachdem er „Star Wars“ auf der großen Leinwand erlebte, war es für ihn der nächste logische Schritt George Lucas in seiner Funktion als großen Erneuerer des phantastischen Kinos zu einem seiner großen Vorbilder zu erwählen.
In den Achtzigern definierte der talentierte, junge Kanadier das Subgenre des Science-Fiction Actionthrillers mit „Der Terminator“ völlig neu und katapultierte sich damit in die A-Liga von Hollywoods Top-Regisseuren. 1997 dann schrieb Cameron Filmgeschichte als er mit „Titanic“ den bis dahin einträglichsten Film aller Zeiten schuf. Das überlebensgroße Liebesepos spielte als erster Film mehr als eine Milliarde Dollar ein und wurde mit sagenhaften elf Oscar-Trophäen ausgezeichnet, was zuvor nur William Wylers Monumentalwerk „Ben Hur“ gelang. Beflügelt von diesem Megaerfolg setzte sich Cameron in den Kopf mit seinem nächsten Film, dass sich zu diesem Zeitpunkt in einer tiefen Krise befindliche Medium Kino neu zu erfinden. Die Konkurrenz durch Internet und DVD – mit der sich George Lucas anno '77 noch nicht hatte herumschlagen müssen – hatte dafür gesorgt, dass immer weniger Menschen Geld für eine Kinokarte ausgaben. James Cameron wollte diesen Negativtrend entgegenwirken indem er das potentielle Publikum mit einer neuen Attraktion zu locken versuchte: Die 3-D Technik sollte ein völlig neues, räumliches Seherlebnis ermöglichen, durch das der Zuschauer buchstäblich in den Film hinein gesogen werden sollte. Im Jahr 2005 schrieb Cameron das Drehbuch für dieses ambitionierte Projekt, welches den Titel „Avatar“ trug.

Der finanzielle Erfolg des vier Jahre später gestarteten Werks übertraf den von „Titanic“ noch bei weitem. Als erster Film spülte das Sci-Fi Spektakel weltweit die unvorstellbare Summe von über zwei Milliarden Dollar in die Kassen. Wie damals bei „Star Wars“ begann auch „Avatar“ sich nach und nach eine Präsenz in der populären Kultur aufzubauen, der man sich kaum entziehen konnte. Auch diesmal verkleideten sich Fans als die Helden des Films, die blauhäutigen Na'vi, und begannen sich intensiv via Internet über die revolutionäre Tricktechnik auszutauschen, mit der deren Heimatwelt Pandora auf die Leinwand gezaubert wurde. Dadurch, dass Cameron bei der Gestaltung dieser Welt ebenso viel Liebe zum Detail an den Tag legte wie es George Lucas beim Design seines Filmuniversums tat, gelang es ihm den fiktiven Mond Pandora so authentisch wirken zu lassen wie keine andere außerirdische Welt zuvor in der Geschichte des Films.
Aber hat Cameron damit auch sein Ziel erreicht dem modernen Blockbusterkino ebenso neue Impulse zu verleihen wie es einst seinem Vorbild gelang?
Wie damals in den siebziger Jahren leben wir auch heute wieder in einer Zeit, in der wir uns mit ganz ähnlichen globalen Problemen auseinandersetzen müssen. Der internationale Terrorismus, der Klimawandel und nicht zuletzt die Wirtschafts- und Finanzkrise erzeugen bei vielen Menschen ein unterschwelliges Gefühl der Angst und Verunsicherung hinsichtlich unser aller Zukunft. Damals wie heute haben viele das Bedürfnis sich von der Realität ablenken zu lassen. Die, im wahrsten Sinne des Wortes, naturverbundenen Na'vi in „Avatar“ stehen für eine unbewusste Sehnsucht des Menschen nach einer idealisierten Vergangenheit, in der der Mensch im Einklang mit seiner natürlichen Umwelt lebte und sich noch nicht mit den hausgemachten Zivilisationsproblemen der Gegenwart herumschlagen musste.

Interessanterweise spielen auch die beiden „Star Wars“ Trilogien nicht in einer möglichen Zukunft der Erde, sondern in einer fernen – sprich idealisierten – Vergangenheit, was ebenfalls ihren enormen Erfolg über alle Landes- und Kulturgrenzen hinweg erklärt. „Avatar“ schlug in dieselbe Kerbe und erreichte daher ebenfalls ein großes Publikum auf dem gesamten Erdball. Die Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit, als die Welt übersichtlicher und weniger kompliziert war lockte die Menschen des 21. Jahrhunderts ebenso in die Kinos wie bereits über eine Generation zuvor am Ende der siebziger Jahre.
Ebenso wie George Lucas wollte James Cameron die neusten Innovationen der Filmtechnik nutzen um einen großen Film zu drehen, der den Menschen das Gefühl des allerersten Kinobesuches wiedergeben würde. Sie beide haben dieses Ziel definitiv erreicht. Und genau wie seinem Vorbild ist es Cameron ganz nebenbei gelungen einen Kult auszulösen, der die Grenzen des Mediums Film selbst weit überschritt. Zwar hat „Avatar“ noch nicht die quasireligöse Begeisterung ausgelöst wie bei „Star Wars“, aber dies könnte sich womöglich ändern wenn Cameron seine Ankündigung wahr macht und aus dem Stoff eine Reihe aus insgesamt fünf Filmen macht. Die Welt der Na'vi wird durch die vier Nachfolgefilme noch gewaltig an Komplexität gewinnen und das neugierige Publikum wird wieder in Scharen in die Kinos strömen, um neue Details über Pandora und die Na'vi zu erfahren. Wie Kollege Lucas hat auch James Cameron bewiesen, dass er ein Talent dafür hat ein komplexes filmisches Universum zu erschaffen, welches seine angepeilte Zielgruppe gefangen nimmt und neugierig auf mehr macht.

Wer also bezweifelt hat, dass es in unserer heutigen, schnelllebigen Zeit nicht mehr möglich wäre ein Filmereignis zu realisieren, das sich einen dauerhaften Platz in der Popkultur sichern kann, wurde von Cameron eines besseren belehrt. Solange es sowohl vor als auch hinter der Kamera Menschen gibt, die das Kino als einen Ort begreifen, an dem man sich wenigstens für zwei oder drei Stunden in exotische Welten verlieren und dadurch die Sorgen des Alltags vergessen kann wird dieses Medium eine Zukunft haben. Innovative Regisseure wie George Lucas und James Cameron waren es, die die Möglichkeiten der Filmmagie zu nutzen wussten um den Träumen und Hoffnungen des Publikums auf der Leinwand eine Form zu geben und das Kino dadurch zu dem machten, was es während seiner großen Zeit war und hoffentlich in absehbarer Zukunft auch wieder sein wird...


Folgende Mitglieder finden das Top: Davot Shipdasher, Izzy und Der_alte_Ben
Einstellungen
  • Erstellt von DocArroway In der Kategorie Allgemein am 29.07.2017 17:56:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 12.08.2017 15:05
Artikel empfehlen
Andere Artikel dieser Kategorie, die für Sie interessant sein könnten: Neueste Artikel der Kategorie Allgemein

Melden Sie sich an, um die Kommentarfunktion zu nutzen
Kommentare
  • Der_alte_Ben
    03.08.2017 08:04

    Hat zwar mit drm Artikel nichts zu tun.
    Ich war gedtern in Valerian.
    Fand die Bilder echt genial. Nach Avatar ein Film, der sich im Kino in 3D wirklich lohnt.


    Webfrog findet das Top
  • DocArroway
    31.07.2017 15:26

    Danke schön...


  • Davot Shipdasher
    31.07.2017 11:18

    Sehr gut geschrieben...


  • Der_alte_Ben
    31.07.2017 10:11

    sehr schöner und beeindruckender Artikel.




Xobor Xobor Blogs
Datenschutz