Hier präsentiere ich noch einen weiteren Text, den ich für das Corona Magazin geschrieben habe, und in dem ich mich mit der Frage beschäftigt habe was der Star Wars Franchise mit dem Problem des religiösen Fundamentalismus zu tun hat.
Star Wars und die Religion
Über das Böse im Guten
Vor beinahe vierzig Jahren befanden sich die Vereinigten Staaten von Amerika mal wieder in einem Krieg gegen das Böse. In einem Land, das Vietnam hieß, kämpften junge Soldaten in dem festen Glauben, ihr Leben für eine höhere Sache aufs Spiel zu setzen. Doch ihre Siegesgewissheit erwies sich als fataler Trugschluss: Tausende amerikanische GI's, von denen die meisten kaum dreißig Jahre alt waren, verloren ihr Leben, die meisten anderen kehrten traumatisiert in eine Heimat zurück, in der die Menschen nach den Sinn des Sterbens fragten, ohne freilich eine Antwort zu bekommen. Jedenfalls nicht in der Realität.
Doch die Fantasiewelt des Kinos bot ihnen die Antworten, nach denen sie suchten. Zwei Jahre nach Ende jenes Krieges, der die Grenzen der vermeintlichen Supermacht USA schonungslos offenlegte und ihren Glauben dem Rest der Welt moralisch überlegen zu sein zutiefst erschütterte, erschien mit dem ersten Teil der „Star Wars“ Trilogie ein Film, in dem die Grenze zwischen Gut und Böse klar gezogen war: Die letzten verbliebenen Ritter des edlen Jedi Ordens kämpften gegen die Schergen des dunklen Imperiums, welches die Völker der Galaxis unterdrückte.
Die zwei Seiten der Medaille
Der Erfolg der „Star Wars“ Saga war sicher im nicht unerheblichen Maße auf die Sehnsucht der Menschen nach klaren moralischen Vorbildern, wie es sie im wirklichen Leben offensichtlich nicht gab, zurückzuführen.
Aber diese Sehnsucht ist bis in unsere Tage nie wirklich gestillt worden. Auch in unserer heutigen Welt scheint noch immer niemand genau zu wissen, was richtig und was falsch ist. Religiöse Autoritäten versuchen zwar zu erklären wer die „Guten“ und wer die „Bösen“ sind, doch da es gerade die Religionen sind, die für die schlimmsten Kriege und Konflikte unserer Zeit verantwortlich sind, haben diese Autoritäten ihre Glaubwürdigkeit in den Augen vieler Menschen längst verloren. In eben diese Lücke dringen moderne Mythen wie „Star Wars“ ein, in welchen, ebenso wie in der Religion, der ewige Konflikt zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis von zentraler Bedeutung sind. Lucas Filmmärchen hat vor allem auf junge Zuschauer einen tiefen Einfluss gehabt, indem es ihnen die Botschaft vermittelte, dass jeder Mensch in seinem Leben eine bedeutende Rolle spielen kann, wenn er sich für das Gute entscheidet.
Doch im Gegensatz zu den Religionen war Lucas selbstkritisch genug, um aufzuzeigen, dass diese Botschaft auch eine gefährliche Kehrseite hat. Denn bei näheren Hinsehen ist auch in der „Star Wars“ Saga alles andere als eindeutig, wer Gut und wer Böse ist: In der allgegenwärtigen Macht, die für das Leben in der Galaxie so wichtig ist, herrscht ein Ungleichgewicht, welches, gemäß einer alten Prophezeiung, eines Tages von einem Auserwählten wieder hergestellt werden wird. Aber obwohl Anakin Skywalker diese Erlöserfigur ist, verfällt er den Verlockungen der dunklen Seite der Macht.
George Lucas machte anhand dieses Charakters deutlich, wie dünn die Trennlinie zwischen Gut und Böse ist. Die Angst um das Leben seiner geliebten Frau Padme bringt Anakin dazu sich der dunklen Seite der Macht anzuschließen und lässt ihn zu einem gewissenlosen Massenmörder werden, da er glaubt den Tod Padmes nur mit Hilfe der Fähigkeiten verhindern zu können, die ihm die dunkle Seite verleiht. Doch ohne es zu beabsichtigen zieht er gerade damit nicht nur sich und Padme, sondern die gesamte Galaxis in den Abgrund.
Der Preis der Angst
Hier zeigt sich ganz besonders deutlich eine Parallele zwischen „Star Wars“ und unserer realen Welt: In unserer Zeit erhebt sich allerorten der religiöse Fundamentalismus, der sich vor allem von der Angst orientierungsloser jungen Menschen vor dem Leben und dessen Gefahren nährt. Religiöse Eiferer ziehen gegen Mächte in den Kampf, von denen sie sich bedroht fühlen, und sehen Gewalt als einziges Mittel sich gegen das vermeintlich Böse wehren zu können. In Wahrheit jedoch sind auch sie von der dunklen Seite der Religion verblendet worden, ohne es selbst zu bemerken. Doch in „Star Wars“ wird deutlich, dass es zu einem friedlichen Miteinander der unterschiedlichen Kulturen keine Alternative gibt. Denn nachdem Kanzler Palpatine die Macht im Senat der Alten Republik an sich gerissen, und sie dadurch in eine Diktatur verwandelt hat, gibt es in der Galaxie zwar Frieden, aber der Preis dafür ist das Verschwinden der Freiheit, vor der sich Fundamentalisten aller Art so sehr fürchten.
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass es gerade die Verteidigung dieser Freiheit ist, die von den Amerikanern immer wieder als Vorwand angeführt wird, wenn sie mal wieder in einen Krieg ziehen. Im Selbstverständnis der amerikanischen Bevölkerung sind die USA ja ein besonders gottesfürchtiges Land, welches gerade aus ihren festhalten an christlichen Werten ihren moralischen Führungsanspruch ableiten. Mit ihren Versuchen den Rest der Welt mit den Vorzügen des American Way of Live zu beglücken, brachten sie, wie Meister Yoda es formulieren würde, unsägliches Leid über Millionen von Menschen. Zeitgleich werden in den USA selbst die angeblich so hoch geachteten Freiheiten der einzelnen Bürger immer mehr beschnitten, was mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus gerechtfertigt wird. So ist es einmal mehr in erster Linie die Furcht vor einer Gefahr von außen, welche die Demokratie von innen heraus gefährdet. Und wieder flüchten viele Menschen in die Religion, um dieser Angst etwas entgegenzusetzen. Dieser Teufelskreis ist die Ursache, der vielen gesellschaftlichen Konflikte, mit denen wir uns zurzeit konfrontiert sehen.
Die Frage ist: Wie können wir den Kreis durchbrechen und die Konflikte lösen?
Abschied von Gut und Böse
In „Star Wars“ ist, wie gesagt, der ewige Kampf zwischen Gut und Böse das bestimmende Element über das Schicksal aller Beteiligten. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt zu glauben, dass unsere Welt in diese beide Extreme aufgeteilt ist, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können nicht mehr in solchen Kategorien zu denken. Doch wie Obi Wan am Ende von Episode III sagt, denkt nur ein Sith-Lord ausschließlich in Extremen.
Womöglich liegt genau hier der eigentliche Grund, aus dem unsere Welt gegenwärtig kein allzu friedlicher Ort ist. So wie sich Anakin Skywalker als Kämpfer für eine gute Sache hält, und dadurch erst Recht zum Handlager der dunklen Seite wird, so sind es auch in der Wirklichkeit gerade jene religiösen Fundamentalisten, die sich als besonders moralisch empfinden und glauben, dass zur Bekämpfung des Bösen jedes Mittel recht ist und dadurch Leid über zahllose Menschen bringen. Doch was wäre, wenn wir endlich damit aufhören würden überhaupt in Begriffen wie Gut und Böse zu denken? Wenn wir erkennen würden, wie sinnlos es ist immer mit dem Finger auf die bösen Anderen zu zeigen?
Wir könnten allen Hasspredigern, welche zu heiligen Kriegen aufrufen den Boden entziehen, wenn wir die tiefe Botschaft verinnerlichen würden, welche Meister Yoda Luke Skywalker in Episode V zu vermitteln versucht: Das jedes Wesen Teil von etwas Größerem ist, welches jenseits aller trennenden Begrifflichkeiten liegt. Wenn wir uns selbst als in einem größeren Zusammenhang eingebettete Wesen begreifen, werden wir kein Opfer unserer Leidenschaften und Begierden mehr sein, und uns von unserer liebgewonnen Gewohnheit befreien, die Welt in eng gefasste Kategorien einzuteilen.
Wir würden uns von den Fesseln unserer eingefahrenen Denkstrukturen lösen und dadurch einen echten Beitrag zu einem harmonischeren Miteinander liefern.
Dazu benötigen wir nicht die Hilfe einer übernatürlichen Macht, denn das Potential uns selbst zu ändern liegt in jedem von uns...
16.08.2017 18:02
Ich kann mich hier Frank nur anschließen, der Artikel ist recht interessant und gut geschrieben, aber natürlich viel zu kurz um mehr als nur Schlaglichter zu werfen.
16.08.2017 11:24
Da fällt mir natürlich noch zu ein:
Der Artikel zeigt sehr schön, welch schöne philosophische Ansätze in Star Wars schlummern.
Nichts im Vergleich zu Star Treck!
15.08.2017 10:49
Leider habe ich es erst heut egeschafft, den Artikel zu lesen.
Er ist sehr schön geschrieben mit vielen interessanten Aspekten und Hypothesen.
Dennoch bin ich der Meinung, dass die Komplexität dieses gesamten Sachverhaltes nur skizziert wird (ist auch durch einen kurzen Text nicht anders möglich). Viele Aspekte drängen sich förmlich auf, diskutiert zu werden.
Genau das alles schafft Star Wars wie kaum ein anderer Film des Genres darzustellen und in schönen Bildern vor Augen zu führen.
Daher mag ich Star Wars so gerne, weil es sich trotz einer märchenhaften Erzählung sich in meinen Augen näher an den menschlichen Bedürfnissen orientiert als z.B. Star Trek.
Ein wirklich sehr gelungener Artikel Sven und ich würde mich freuen mit Dir (und vielleicht möchten sich ja auch andere daran beteiligen) mal über den Artikel zu sprechen.
Impressive, most impressive!