Es soll ja Leute geben, die der Meinung sind, dass Star Trek nicht so viel philosophische Tiefe besitzt wie Star Wars (gell Ben?). Daher möchte ich hier mal einen neuen Corona Artikel von mir präsentieren, der das Gegenteil beweisen soll. Dass er nichts mit Star Wars zu tun hat, wird hoffentlich niemanden stören, es ist ja auch der oder andere Teilzeit-Trekkie unter uns. Viel Spaß beim lesen...
Star Trek und die Religion
Was der Fromme vom Trekkie lernen kann
Was ist der Unterschied zwischen einer Religion und einem Fandom? Auf den ersten Blick ist das eine ziemlich sinnlose Frage. Eine Religion ist für deren jeweilige Anhänger ein Gegenpol zu unserer, als immer hektischer und unmenschlicher erscheinenden Welt, der ihnen Orientierung und Kontemplation bietet.
Ein Fandom hingegen ist einfach nur eine Ansammlung von Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft für ein bestimmtes Thema – wie zum Beispiel Star Trek – verbindet, und die beim Ausleben dieser Leidenschaft zusammen Spaß haben wollen. Spiritualität oder gar Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens sucht man in einem Fandom vergeblich.
Oder etwa doch?
Obwohl es stets Gene Roddenberrys Bestreben war das Thema Religion aus Star Trek heraus zuhalten, gab es bereits in der Originalserie immer wieder Episoden, deren Plots zumindest religiöse Themen streiften: Man denke nur an die Folge „Der Tempel des Apoll“, in der sich der antike Gott der Poesie als außerirdisches Wesen entpuppt. Jedoch stellten Episoden wie diese natürlich keine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit spirituellen Fragen dar.
Der fünfte Kinofilm, „Am Rande des Universums“, beschäftigte sich dagegen durchaus ernsthaft mit der Frage nach Gott und wo wir ihn finden könnten. Bezeichnenderweise war dieser Film ein kapitaler Flop, was sicherlich auch teilweise an der reichlich esoterisch anmutenden Umsetzung lag. Die Fangemeinde konnte mit der Idee, dass die Enterprise Crew sich auf die Suche nach Gott macht nichts anfangen, entfernte sich Star Trek mit diesem Plot scheinbar zu sehr von den zwischenmenschlichen Konflikten, die die besten Folgen der Originalserie so lebendig wirken ließen.
Paradoxerweise wird in den Massenmedien oft der Eindruck erweckt, Star Trek sei für viele so etwas wie eine Ersatzreligion. Da werden in einschlägigen Fernsehbeiträgen Fans gezeigt, die sich seltsam kostümieren und für den Außenstehenden befremdlich wirkende Rituale zelebrieren, die manchmal an die Initiationsriten obskurer Esoterikkulte erinnern. Dass sich die Fans von solchen Darstellungen scharf distanzieren ist verständlich.
Aber trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob nicht ein Fünkchen Wahrheit in der Aussage steckt, dass Star Trek zumindest für einige Fans eine ähnliche Funktion hat wie eine Religion: Nämlich die eines moralisch-ethischen Kompasses.
Sehr viele Star Trek Fernsehfolgen und Kinofilme beschäftigten sich mit schwierigen moralischen Fragestellungen. Und gerade diese Geschichten sind es, die für viele Fans den eigentlichen Reiz von Star Trek ausmachen, denn aus ihnen können sie etwas in ihr normales Alltagsleben mitnehmen. Diese Episoden vermögen sie dazu zu inspirieren Schwierigkeiten, mit denen sie sich vielleicht gerade herumschlagen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Exakt dies ist auch der Ansatz der meisten Religionen: Sie vermitteln den Glauben an übernatürliche Wesen, die den Menschen behüten und helfen. Dieser Glaube erleichtert es ihren Anhängern die alltäglichen Lasten, mit denen sie sich in ihren Leben auseinandersetzen müssen, besser zu ertragen.
Für viele Fans ist das fiktive Star Trek Universum inzwischen zu einer zweiten Heimat geworden. Sie kennen dessen Zeitlinie ebenso auswendig wie die Biografien sämtlicher Charaktere. Sie lassen sich von dieser erfundenen Welt gefangen nehmen und werden buchstäblich selbst ein Teil davon, wenn sie sich beispielsweise in diversen Rollenspielen versenken oder sich Fanfiction ausdenken. Diese Hardcorefans leben ihre Leidenschaft mit einer ähnlichen Ernsthaftigkeit aus wie religiöse Menschen die Rituale ihrer jeweiligen Glaubensrichtung begehen. Auf Nicht-Fans wirkt eben diese Hingabe recht skurril und vielleicht sogar gefährlich. Schließlich handelt es sich bei Star Trek „nur“ um eine Fernsehserie, die in erster Linie aus kommerziellen Gründen produziert wurde und deren inhaltliche Tiefe kaum ausreicht, um mit einer philosophischen Denkrichtung gleichgesetzt zu werden. Aber ist dem wirklich so? Wie oben bereits erwähnt gibt es immer wieder Episoden, deren Umgang mit moralischen Problemen weit über dem Niveau einer reinen Unterhaltungsserie liegen.
Dies ist im nicht unerheblichen Maß der Tatsache zu verdanken, dass Gene Roddenberry ein überzeugter Humanist war, jener Weltanschauung, die sich mit Fragen wie „Was ist der Mensch und was ist sein wahres Wesen?“ auseinandersetzt. Eben diese Fragen bilden einen der wichtigsten Pfeiler von Star Trek. In der Serie – von allen bei TOS und TNG – geht es darum wie sich der Mensch im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat, hin zu einer wahrhaft zivilisierten Gesellschaft. Die Menschheit des 23. bzw. 24. Jahrhunderts definiert sich nicht mehr über die unzähligen, teilweise in Widerspruch zu einander stehenden Wertvorstellungen, die sich in den vergangenen Jahrtausenden entwickelt haben. Sie hat die Religion – die, die Unterschiede zwischen uns Menschen häufig überbetont – hinter sich gelassen, weswegen es in der utopischen Star Trek Zukunft keine Kriege und Gewalt mehr auf der Erde gibt. Star Trek war also Roddenberrys Versuch seine humanistischen Überzeugungen in die Öffentlichkeit zu tragen und aufzuzeigen, wie friedlich unsere Welt seiner Meinung nach sein könnte, wenn sie sich nach den Grundwerten der Menschlichkeit richten würde.
Dass dies dazu führt, dass so mancher Fan in der Serie eine Art Lebenshilfe sieht, wäre daher
sicherlich im Sinne Roddenberrys. In den späteren Serien des Franchises, die nach dem Tod seines Schöpfers entstanden, wird diese schöne neue Welt jedoch auch immer wieder kritisch hinterfragt. Vor allem bei Deep Space Nine wird immer wieder die Frage aufgeworfen welchen Preis die Menschheit für die scheinbar so perfekte Welt, in der sie lebt zahlen musste. Auch in diesem Punkt unterscheidet sich die Serie ganz besonders von den Religionen dieser Welt. Diese neigen ja bekanntlich ja leider eben nicht dazu ihre eigenen Dogmen – und damit ihre Identität – in Frage zu stellen. Insofern können gerade die großen Weltreligionen so einiges vom Star Trek Franchise lernen.
Dasselbe gilt auch für all die Nicht-Fans, die die Trekkies für weltfremde Spinner halten: Die humanistischen Ideale, die sie aus der Serie ziehen sind den oft konservativen Werten der „echten“ Religionen ethisch weit überlegen. Gerade weil die menschliche Gesellschaft des 23. Jahrhunderts ihre vermeintliche Abhängigkeit von spirituellen Lehren hinter sich gelassen hat, ist der Traum einer friedlichen Welt für alle, Wirklichkeit geworden.
Natürlich muss eine solche Zukunftsvision auf Fundamentalisten aller Couleur ziemlich provokativ wirken, lässt sie vor allem beim jugendlichen Publikum den Gedanken aufkommen, dass Religionen grundsätzlich überflüssig oder gar schädlich sein mögen. Falls es tatsächlich Gene Roddenberrys Intention war aufzuzeigen, dass eine säkularisierte Zukunft erstrebenswert ist, so wird die Befürchtung Star Trek sei eine Pseudoreligion jedoch vollends ad absurdum geführt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Serie erweiterte den Horizont eines breiten Publikums und hat dadurch sicherlich einen Beitrag dazu geleistet, dass die Mehrzahl aller ihrer treuen Fans sich eben nicht so leicht von irgendwelchen Gurus oder Fundamentalisten hinters Licht führen lassen. Sie erzeugt bei ihren aufgeschlossenen Zuschauern ein Bewusstsein für die unendliche Weite des Universums und die Vielfalt des Lebens.
Es gibt wahrhaftig nicht viele Weltanschauungen, von denen man behaupten kann dies erreicht zu haben...
26.08.2017 12:01
Auch ein sehr schöner Artikel. Wirklich toll.
Allerdings gibt der Artikel meiner Meinung nach auch die Antwort darauf, dass eben im Gegensatz zu Star Wars, die philosophische, abstrakte Ebene eben eher maximal Schmückwerk ist. Lucas hat sich aktiv mit dem Thema in Star Wars auseinandergesetzt und neue Ansätze gebracht, die augenscheinlich auch gut angenommen wurden. Was bei Star Trek ja dem Artikel nach doch z.T. floppte. Ich möchte Star Trek nicht absprechen, dass es sich mit einer idealen Gesellschaft und deren Ideale beschäftigt, aber (und das ist eine rein subjektive Ansicht) wirkte es für mich häufig holprig, nicht wirklich durchdacht und dadurch eben nicht wirklich überzeugend. Auch neue Denkansätze, die bei Star Wars konkretisiert werden, sind bei Star Trek maximal angedeutet. Aber letztendlich ist es eine "Glaubensfrage" , oder wie ich es treffender finde, eine individuelle Erfahrungs- und Empfindungswelt; und jeder sollte da sein, wo er sich "zu Hause" fühlt, in Frieden und in Freiheit.