Ich präsentiere einen weiteren Text, den ich für das Corona Magazin geschrieben habe, und in dem ich mich mit dem Filmklassiker "2001 - Odyssee im Weltraum" beschäftigt habe und was dessen Inhalt über unsere reale Welt und dessen Zukunft aussagt. Viel Spaß beim Lesen!
2001 und die Wirklichkeit
oder: Wie wir uns im Weltraum selbst finden können.
In den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts lieferten sich die USA und die damalige Sowjetunion zwei verschiedene Wettrennen: Jenes um die militärische Vorherrschaft auf der Welt und jenes um die Vorherrschaft im All.
Beide „Supermächte“ hatten ein furchteinflössendes Arsenal an nuklearen Waffen angehäuft, durch welches sie die gesamte Menschheit binnen eines einzigen Tages hätten auslöschen können. Nie zuvor in der Geschichte verfügte unsere Spezies über die technische Möglichkeit sich selbst auszurotten. Doch die meisten Menschen in beiden Ländern waren sich dieser Gefahr überhaupt nicht bewusst. Zu sehr waren sie von den zeitgleich stattfindenden Bemühungen elektrisiert einen Astronauten auf den Mond zu bringen, welche die bemannte Raumfahrt in den Augen vieler als ein beinahe mystischen Unterfangen hatte erscheinen lassen.
Denn jahrhundertelang galt der Erdtrabant als die ultimative Metapher für ein buchstäblich unerreichbares Ziel. Doch nun befand sich der Mensch, ebenfalls zum ersten Mal in seiner Geschichte, im Besitz einer Technologie, die es ihm ermöglichte dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Nur wenigen war zu diesem Zeitpunkt die Tatsache bewusst, dass dieselbe Raketentechnik, die den Flug zum Mond möglich machte auch dazu hätte missbraucht werden können einen alles vernichtenden atomaren Holocaust zu entfachen.
Ein Jahr vor der ersten Mondlandung durch die amerikanische Apollo 11 Mission brachte Regisseur Stanley Kubrick mit „2001 – Odyssee im Weltraum“ ein Science-Fiction Epos in die Kinos, das sich mit den Ursprüngen des menschlichen Fortschritts, aber auch des menschlichen Hangs zur Selbstzerstörung beschäftigte.
Zusammen mit dem bekannten Genreautor Arthur C. Clarke ersann Kubrick eine Geschichte, die zeigte wie unsere primitiven Vorfahren vor Millionen von Jahren mit außerirdischer Hilfe die geistige Kraft erlangten Werkzeuge zu benutzen. Ein geheimnisvoller Monolith ließ in den Affenmenschen eine völlig neue Form von Intelligenz entstehen, was schließlich den ersten Schritt in der Evolution zum denkenden, modernen Menschen bedeutete. Doch gleich nachdem unsere Urahnen gelernt hatten die herumliegenden Knochen von toten Tieren als Werkzeuge zu benutzen, begannen sie auch sogleich damit sie als Waffen zu missbrauchen, mit denen sie sich gegenseitig im Kampf um eine Wasserstelle töteten.
Kubrick und Clarke brachten hier ihre These zum Ausdruck, dass unsere Neigung zur Aggressivität ein entscheidender Motor bei unserer Entwicklung zu dem war, was wir heute sind. Sie machten deutlich, dass bereits der Urmensch nicht zur Aggression neigte obwohl, sondern gerade weil er Intelligenz besaß, denn erst durch sie war er in der Lage sich gegen einen vermeintlich überlegenen Gegner zu verteidigen.
Bis in unsere heutige „moderne“ Zeit haben wir unsere Werkzeuge und damit auch unsere Waffen immer weiterentwickelt und perfektioniert. Im wirklichen Jahr 2001 hatten wir eine riesige Raumstation im Erdorbit installiert, Schwärme von Satelliten umkreisen unseren Heimatplaneten, wodurch das sogenannte Informationszeitalter, in dem wir gegenwärtig leben überhaupt erst möglich wurde und wir haben Flugzeuge, mit denen wir die Entfernungen zwischen den Kontinenten binnen weniger Stunden zurücklegen können, und die dabei wiederum von Navigationssatelliten im All durch den Luftraum gelotst werden.
Und wie in Stanley Kubricks Film haben wir auch in der Realität bereits die ersten Schritte zur Entwicklung einer künstlichen Intelligenz getan. Schon heute träumen Informatiker überall auf der Welt von Computern, die in puncto Leistungsfähigkeit unseren Gehirn ebenbürtig und später vielleicht sogar einmal überlegen sein werden, genau wie der HAL 9000 Supercomputer, der das Raumschiff „Discovery“ während seiner Reise zum Planeten Jupiter steuert.
Andere visionäre Wissenschaftler schwärmen von einer Zukunft, in der der Mensch den Weltraum besiedeln wird, indem er Kolonien auf den Mond, den Mars und den Asteroiden unseres Sonnensystems errichtet.
Aus all diesen Utopien spricht der unbewusste Wunsch des Menschen Macht über die Umwelt zu erlangen, die ihn umgibt. Aber eben dieser, uns allen innewohnender Wunsch ist auch der eigentliche Urgrund für unsere schlimmsten Kriege und Gewaltexzesse. Die Menschheit trägt von Geburt an den Drang in sich in einer perfekten Welt leben zu wollen. Wir versuchen diesen Drang unter anderem durch immer bessere Technologien zu stillen, die unser tägliches Leben bequemer machen sollen, in der Hoffnung unsere Umwelt dadurch zu einem lebenswerteren Ort zu machen und ihre Ressourcen optimal nutzen zu können.
Doch den für alle Menschen gültigen Königsweg in eine solche, scheinbar so erstrebenswerte Zukunft scheint indes niemand zu kennen. All die Kämpfe, die wir untereinander führen drehen sich letztlich um die, für uns so entscheidende Frage wie der „richtige“ Weg zu einem gerechteren und humaneren Gesellschaftssystem aussieht. Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass alle unsere Bemühungen die Erde zu einem besseren Ort für alle zu machen letztlich dazu geführt haben, dass wir heute in einer schlechteren Welt leben.
Denn trotz all der enormen Fortschritte in Wissenschaft und Technik schlummert in unseren Innern ganz offensichtlich noch immer der archaische Urmensch, der seine Artgenossen gnadenlos umbringt, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht oder wenn er einfach nur Hass auf einen Artgenossen aus einer anderen „Horde“ empfindet.
Am 11. September 2001 steuerten fanatische Islamisten aus eben diesen Grund drei Flugzeuge in das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, den ultimativen Symbolen der wirtschaftlichen bzw. militärischen Vormacht des Westens. In der festen Überzeugung nur die Besinnung auf, im islamischen Sinne, konservativ religiöse Werte könnte der Menschheit eine Zukunft geben stürzten sich 19 junge Männer in den Tod und rissen fast 3.000 Opfer mit sich.
Wieder einmal wurde uns unsere eigene Intelligenz zum Verhängnis.
Die Entwicklung, die vor Millionen von Jahren ihren Anfang nahm, als wir ein Selbstbewusstsein entwickelten und dadurch begannen in Begriffen wie „Gut“ und „Böse“ zu denken gipfelte in Massenmord.
Der Film „2001“ jedoch zeigt uns eine Zukunft der Menschheit, in der kein bestimmtes politisches oder religiöses System die Oberhand über unser Schicksal gewonnen hat. Vielmehr ist es gerade die Überwindung der Abhängigkeit von der Technik, die sich in der Abschaltung des durchgedrehten Elektronengehirns HAL 9000 durch den Astronauten David Bowman widerspiegelt, die uns Menschen wieder auf uns selbst zurückwirft und uns gerade dadurch einen gewaltigen Sprung nach vorn in unserer Evolution ermöglicht.
In der Realität trugen Neil Armstrongs erste Schritte auf den Mond dazu bei unsere eigene Spezies in einem größeren, kosmischen Zusammenhang zu sehen. Seine berühmten Worte „Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“, drückten die Hoffnung aus, die uns Kubrick und Clarke in „2001“ auf metaphorische Weise zu zeigen versuchten: Wenn der Mensch es schafft die Fesseln seiner destruktiven Leidenschaften abzustreifen und stattdessen seine ganze Kraft darin investiert über sich selbst hinauszuwachsen, erwartet ihn eine Zukunft, die sich in unserer Gegenwart noch niemand wirklich vorstellen kann.
Die Reise von Apollo 11 bot uns einen ersten Vorgeschmack auf diese Zukunft, auf die unendlichen Möglichkeiten unserer Spezies. Diese Möglichkeiten liegen weit jenseits dessen, was wir durch die bemannte Raumfahrt zu erreichen vermögen, die Armstrong einmal ganz profan als einen „gewöhnlichen technischen Vorgang“ bezeichnete.
Stanley Kubricks Film entführt uns in ein Universum, in dem alle menschlichen Maßstäbe ihre Gültigkeit verlieren, in dem der Mensch lediglich ein unbedeutender, unvorstellbar winziger Bestandteil eines gigantischen Kosmos ist, der sich sowohl jeder wissenschaftlichen als auch religiösen Erklärung entzieht. Doch wenn wir uns unsere Menschlichkeit trotz des technischen Fortschritts bewahren, werden wir vielleicht zumindest teilweise in die tiefsten Mysterien des realen Universums vordringen können und uns früher oder später in eine Spezies verwandeln, die endlich über ihre archaischen Wurzeln hinausgewachsen ist.
So wie David Bowman am Ende von „2001“ zum Sternenkind mutiert, welches das All mit großen Augen als sein Zuhause betrachtet, so würden auch wir unsere Existenz in einer kosmischen Perspektive sehen, wenn wir unseren natürlichen Trieb unsere Umwelt unseren Bedürfnissen anzupassen auf dessen Erforschung konzentrieren würden.
Irgendwann, in einer Zeit, die unvorstellbar weit vor uns liegt, hätten wir den wilden Affenmenschen in uns, der laut kreischend seine Verwandten tötet endgültig auf der Erde zurückgelassen...
12.11.2017 11:00
@DocArroway.: Es ist immer ein Vergnügen deine Artikel zu lesen. Wie immer ganz großartig geschrieben